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BBP – Best Bottle Party – Ein Weinfest im März

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Zur Best Bottle Party (BBP) trafen sich am 20.März dieses Jahres 10 Weinfreunde im Düsseldorfer Restaurant „Schorn“, um den besten Flaschen aus den Kellern der Teilnehmer zu huldigen. Vielleicht waren es nicht die allergrößten Flaschen, aber alle Teilnehmer hatten echte „Herzblut-Flaschen“ mitgebracht. Die Probe wurde bereits vor einiger Zeit vom weinterminator ausführlich beschrieben; da ich jedoch meine eigenen Eindrücke grundsätzlich in den Computer hacke, um sie für eigene Zwecke zu dokumentieren, dachte ich, dass einige Weinfreaks und Leser meines kleinen Blogs Spaß an einer „zweiten Meinung“ haben……..

Als die Tafel voll besetzt war, starteten wir in einen Abend, der 25 (!!) außergewöhnliche Momente bescheren sollte. Wie in jedem großen Film oder Theaterstück lagen jedoch Freund und Leid eng beieinander. Mindestens genauso weit auseinander lagen allerdings auch die Geburtsjahre der Dasteller – zwischen 1910 und 1995!!

 

Die Vorstellung wurde eingeleitet mit einem Prolog aus der Küche: „Krustentiersuppe mit Rindfleischsalat“ – lecker!!  Parallel gab es einen vinologischen Vorspann, der eigentlich einem Jahr entstammte, das eher den Stoff für Dramen bereit hält. Trotzdem war der 1977 Marcobrunn von Schloss Reinhartshausen – Rheingau (87 Punkte), der auch nach über 30 Jahren in seiner Klasse wohl der Primus sein dürfte, jede positive Erwähnung wert. Hochreif, mit einer erstaunlichen Dichte (insbesondere für einen Kabinett), botrytisbetont, dezenten Petrolnoten, Noten von (Bienen)Wachs sowie Anklänge an Honig und Aprikosen. Dank einer kräftigen, aber keineswegs herausstehenden Säure ist der Wein sehr lebendig. Meine spätere Recherche hat ergeben, dass ich diesen Musterknaben schon einmal (noch höher) bewertet habe: http://weinwelt.blogg.de/eintrag.php?id=190 .

 

Im ersten Aufzug brannte sich ein Österreicher dank seiner Mineralik in den Gaumen und damit in das Gedächtnis seiner Genießer. Der 1995 Dürsteiner Kellerberg von F.X. Pichler – Wachau (93 Punkte) war insbesondere Dank seines „Pfefferls“ ein Riesling im Veltliner-Gewand. Keiner der „trinkenden Kritiker“ bemerkte den ‚Schmu’. Mir hat dieser Wein mit seiner kräftigen, würzigen Art sehr gut gefallen. Er zeigt eine herrliche aromatische Tiefe und die auch am Gaumen deutlichen Anklänge an weißen Pfeffer sowie die „brennende“ Mineralik haben auch mich dazu bewogen, einen Grünen Veltliner aus der Wachau in mein Notizbüchlein zu notieren. Die zu Beginn etwas störenden Gumminoten verzogen sich recht schnell und so notierte ich mir für diesen am Gaumen frischer als erwartet ausgefallenen RIESLING 93 Punkte.

 

Mal schnell 20 Jahre zurück gingen wir mit der 1975 Saarburger Antoniusbrunnen Riesling Auslese aus dem Hause Forstmeister Gelts Erben (85 sehr wohlgemeinte Punkte) habe ich mir notiert für diesen in der Nase an Tapetenkleister und Möbelpolitur erinnernden Wein. Am Gaumen eher leicht- bis mittelgewichtig und mit recht eckiger Säure ausgestattet, zeigt er immerhin noch schöne Anklänge an Äpfel und Marillen, aber letztlich ist er doch schon ein wenig über den Berg.

 

Nun übernahmen die Rotweine die Bühne und ihr erster Auftritt war auch recht gelungen. Zwar hatte der Bühnenbildner beim ersten Wein seine Arbeit erst gerade beendet, denn es roch kräftig nach Patex-Kleber, aber dann setzten sich beim 92er Beringer Private Reserve – Napa Valley (93 Punkte) die deutlich positiven Eindrücke durch. Kaffee, Mürbeteig sowie eine feine, gereifte Frucht mit mürben Tanninen und Anklängen an Minze – so machte der Beringer am Gaumen eine gute Figur. Ursprünglich sicherlich dicht gewoben; dank der kräftigen Säure wirkt dieser gereifte Wein doch noch richtig frisch. Insgesamt stimmig und überaus harmonisch, aber  – anders als andere am Tisch – empfand ich, dass der Wein im Glas eher abbaute als zulegte.

Der nächste Wein 1994 Dominus – Napa Valley (95 ++ Punkte) kam wohl gerade direkt aus dem Stall ins Glas, es galt für die Verkoster nur festzustellen, welches Tier sich hier ein nasses Fell geholt hatte, ob Hund, Pferd oder Sau – es konnte einstimmig nicht geklärt werden ;-))) letztlich war es wohl ein Anflug von Brett. Am Gaumen gefiel er mir wesentlich (!!) besser: kühl und aristokratisch vom Mundgefühl, mit saftiger Frucht von Brombeeren, Mokka, Eukalyptus – insgesamt recht kräutrig; mit herrlicher Dichte, süßem Extrakt und viel Struktur ausgestattet. Wenn der sich so weiterentwickelt, wie er bereits jetzt schon sein Können angedeutet hat, steht einer Weltkarriere nichts im Wege.

 

Die folgende Flasche 1990 Clos des Papes – Chateauneuf-du-Pape (o.W.) offenbarte eine stark von Himbeeren geprägte Nase und zeigte sich sehr unausgewogen. Dieser Eindruck verstärkte sich durch weitere Luftzufuhr und so bleibt diese Flasche (leider – wegen entstellender Fehler, so würde es wohl Andreas März von der Zeitschrift Merum ausdrücken) unbewertet.

 

Die nächsten zwei des 25 Aufzüge umfassenden Bühnenwerkes gebührten einem Geschwisterpaar von der Côte Rotié. Das erste Solo bestritt der 1991 La Landonne, Rene Roasting – Côte Rotie (92 Punkte) – in der Nase einerseits recht klassisch: etwas rauchig, mit feiner, dunkler Frucht. Anderseits waren da Aromen, die mich an Tomaten erinnerten und irgendwie störten. Am Gaumen dann aber wieder schön strukturiert, mit feiner Kirsch-Aromatik, kühles Mundgefühl, reife, süßlich wirkende Tannine, harmonisch. Insgesamt dann doch ein feiner Stoff.

 

Auf ungefähr gleichem Niveau stand für mich der 1994 La Mouline von Guigal – Côte Rotie (93 Punkte) Fleischsaft, schwarzer Pfeffer, vielleicht von der Frucht ein Hauch dropsig, Karamell. Am Gaumen aber (so wie es für einen guten Côte Rotie sein muss) eher kühl, dicht, mit dem Aroma von Johannisbeeren; recht kraftvoll, tief und mit wohl proportioniertem Körper ausgestattet. Im schönen, recht langen Abgang ein Hauch von Eukalyptus.

 

Nun sollten sich wieder alle Blicke auf die neue Welt richten. Meine Aufzeichnungen zum 9. Akt zeugen jedoch eher von einem Boulevardstück, als von großer Kunst: Schokolade, Eukalyptus, dichte Nase von sehr reifen Waldfrüchten. Die Zunge bestätigt diesen Eindruck: mit viel Schm(a)elz, einer saftigen, extraktreichen, aber aromatisch nicht sonderlich komplexen Art mag der Wein das Volk begeistern, aber fortgeschrittene Kunst- und Weinliebhaber erkennen die viele Theaterschminke und vermissen den ausdrucksvollen Charakter dahinter.  Ich sprach vom 1997 Cabernet Sauvignon Private Reserve, Mondavi – Napa (91 Punkte).

 

 

Der nun folgende direkte Vergleich mit der alten Welt zeigte, dass auch hier nicht alles Gold ist, was glänzt – respektive einen großen Namen hat. Aber wo wachsen die Bäume schon in den Himmel. Der 1995 Chateau Palmer, Margaux (91 Punkte) hat ein klassisches Bordeaux-Bukett und zeigt sich noch von seiner jugendlichen Seite. Am Gaumen kalkig, kreidig, recht fest gewirkt; es mangelt ihm etwas an Fett und Schmelz auf den festen (Tannin)-Rippen.

 

1989 Chateau Palmer, Margaux (95 Punkte) – Hier war der ältere, große Bruder die bessere Besetzung. Ein Weinfreund sprach vom legitimen Nachfolger des 61-igers, aber bis er die gleichen, stehenden Ovationen für sein Lebenswerk bekommt, benötigt auch der 89er noch Zeit, um seine Ecken und Kanten  abzuschleifen. Das Potential zum ganz großen Kino ist offensichtlich vorhanden. In der Nase recht verschlossen, die Anklänge an Erdnüsse zu Beginn waren ein wenig irritierend, verschwanden jedoch mit zunehmender Belüftung. Seine Klasse offerierte er dann  am Gaumen: kompakt, mit viel Extrakt; stoffig; schöne, extraktbedingte Süße, die die Grundlage für einen feinen Schmelz bildet; seine große aromatische Tiefe blitzt in unterschiedlichen Facetten immer wieder mal auf. Aktuell noch in ein festes, formendes Korsett von noblen Tanninen  gezwungen. Mit zunehmendem Alter dürfte dieser Wein das perfekte Handwerk mit einer gewissen genialen Spielkunst verbinden, die nur sehr erfahrene, frei denkende und nicht immer sich an die Vorgaben des Produzenten haltende Mimen entwickeln.

 

Beim nächsten Wein zeigte sich die über 45 Jahre gesammelte Bühnenerfahrung des „Schauspielers“, denn dank unseres Sommeliers durfte dieser Wein eine Kostprobe seiner differenzierten Kunst darbieten. Er spielte eine klassische „Doppelrolle“ so perfekt, dass keiner der anwesenden „Kritiker“ dieses kleine Kunststück bemerkte. Der 1961 Chateau Lascombes, Margaux – abgefüllt durch Christopher & Co., London (93 Punkte)  wurde aus der Magnum in zwei Karaffen gereicht. Das Alter des Weines zeigte sich recht deutlich im Glas, ein Orange-brauner Wasserrand machte deutlich, dass wir uns an diesem Abend nun den älteren, gereiften Künstlern zuwandten. In der Nase zunächst recht klassischer Bordeauxstil, die dunkle Aromatik und die immer noch eher maskuline „Ausdrucksweise“ lies mich jedoch nicht einen Margaux vermuten. Am Gaumen ein feiner, sehr ausdifferenzierter Tropfen, leicht malzig, dezente Süße. Leider baut er mit zunehmender Zeit im Glas nicht weiter aus, sondern er verliert langsam und oxidative Noten gewinnen an Einfluss.  

 

Den nun folgenden 1970 Lynch Bages, Pauillac (ohne Wertung) hatte ich vor einiger Zeit bei einem zuverlässigen Weinauktionshaus ersteigert, doch schon bei Erhalt der Flaschen hegte ich einen Verdacht, denn die Kapsel zeigte weiße „Sprenkel“ und sah irgendwie auf alt gemacht aus. In der Nase Minznoten , mittlerer Körper, aber irgendwie hohl und kurz im Geschmack. Die 2. Flasche muss zeigen, ob es sich doch nur um einen Flaschenfehler gehandelt hat, oder ob ich hier einer dieser wundersamen Weinfälschungen aufgesessen bin. Einige Weinfreunde am Tisch kannten diesen Wein aus mehreren Verkostungen und hatten ihn stets weit oben auf der Richterskala eingeordnet.  

 

Der nun folgende 88er La Mission Haut Brion, Graves  (90++ Punkte) wirkte unglaublich jung, duftete nach Paprika und Kaffee und zeigt am Gaumen recht wenig von dem, was in ihm steckt, aber seine Anlagen und seine Struktur (momentan sehr griffig) lassen für die Zukunft sehr hoffen. Aktuell eher anstrengend, da sehr von der Struktur getrieben, aber er hat genug von allem, sodass am Ende nicht nur die ausgehöhlte Fassade bleiben sollte. Ein Wert für die Zukunft.

 

Der 16. Aufzug auf der Weinbühne brachte wieder richtig Leben in die Bude und die „Kritiker“ schnatterten wild durcheinander – es wurde getuschelt und gemutmaßt. Mit diesem Wein, einer 1966 Imperial Gran Reserva, CVNE – Rioja (95 Punkte) kam die Verspieltheit und Leichtigkeit zurück auf die Bühne. Offensichtlich keine junge Künstlerin (deutlicher Wasserrand mit orangebraunen Färbungen), sondern eher eine vom Schlage einer Montserat Caballe, der man die Lust an Kunst und Spiel anmerkt und die – wenn sie Spaß auf der Bühne hat und lacht – einen so ansteckt, dass man ebenfalls beste Laune bekommt. Exotisch, leicht süßlich duftend in der Nase, etwas rauchig, Schoko, Karamell und eine Idee von Gemüse. Am Gaumen herrlich cremig, erinnert mich ein wenig an den Bienenstich meiner Mutter, schöner Schmelz. Sehr langes Finale.

 

Aus gleichem Jahr der nächste Troubadur, ein 1966 L’Arrosée, Saint Emilion (92 Punkte). Sehr klar und auffallend frisch präsentiert sich dieser Wein im Glas und in der Nase: Tabak, Zigarrenkiste, etwas Menthol. Am Gaumen das gleiche Bild, die Frische und die Mineralität begeistern mich, aber nicht er ist nicht wirklich komplex. Insgesamt ein eher geradliniger Bursche, der noch Potential für ein langes Leben hat.

 

Alterseleganz und eine besonders faszinierende Leichtigkeit bot das Schauspiel des 1934 Lafite Rothschild, Pauillac (90 Punkte). Immer noch ein Hauch von Frucht; Hagebutte, etwas grüne Walnuss und ein filigraner Stil, der in seiner Art einzigartig bleibt an diesem Abend. All dies spricht für den Wein und ich habe Schwierigkeiten diese Leichtigkeit und das filigrane Wesen des Lafite in Worte zu fassen, aber vielleicht passt das Bild einer besonders schönen Wolke. Mehr als 90 Punkte sind leider nicht drin, denn letztlich ist der Vorteil auch wieder ein Nachteil, denn man kann dem Wein auch zu wenig Struktur und Substanz bescheinigen. Ein wirklich großer Wein hat beides und schafft so die Quadratur des Kreises.

 

Kurz und genußlos fällt die Kritik zum 1949 Romanée St. Vivant, A.Gloria  (Bestenfalls 70 Punkte)  aus: Kritische Nase, erinnert mich an Orangensaft, der zu lange offen in der Küche gestanden hat. Noten von Sherry am Gaumen mit der Tendenz zu Essig – letztlich aber noch besser als die Nase.

 

Noch eine Spur schlimmer wurde es mit dem 1928 Haut Bailly; Graves in einer Peyrat Cheze Abfüllung: Deutliche Maderisierung; krasse Säure in Kombination mit einem italienischen Espresso, das ist eine Mischung, die keiner mag oder braucht.

 

Nach dieser „Kunstpause“ ging es nun wieder deutlich bergauf mit dem 1947 Poujeaux, Moulis (91 Punkte) in einer Kjaes(oder Kjaer-) Sommerfeldt Abfüllung. Erkennbar alt und reif mit seiner recht hellen Farbe überzeugt mich dieser Moulis durch seine ausgewogene, leicht süßlich wirkende Art, der man auch eine gewisse Eleganz bescheinigen kann.

 

Bei der nachfolgenden 1910 Marques de Riscal Riserva, Rioja (94 Punkte)  wähnte ich den Buena Vista Social Club in Hochform auf der Bühne. Diese einzigartige Verbindung der sich eigentlich widersprechenden Formen von Lebensfreude und Melancholie mit der dazu passenden Virtuosität auf den Instrumenten sind eine Mischung, die mich stets in Schwingung versetzt – so auch bei diesem Wein. Trotz seines hohen Alters besitzt er noch eine feine Seidigkeit auf der Zunge, immer noch feine Röstaromen (Malz und Kaffee) und baut – dank seiner moderaten Alterssäure – ein Spiel zwischen Säure und Süße auf, das tiefe Harmonie und Größe erkennen lässt.

 

Der nun folgende Wein wird es verdammt schwer haben, dachte ich; aber umso schöner, wenn es anders kommt. Beim 1947 Cantenac Brown, Margaux (93 Punkte)  in der englischen Abfüllung von Christopher & Co. hatte ich zu Beginn einen leichten Kork-Verdacht, doch dieser Eindruck verflog und die immer noch reiche, etwas rotbeerige Frucht brach auf eine delikate und feine Weise durch. Sehr feine Süße, aber nicht schwer sondern ebenfalls elegant – vor meinen Augen entstand das Bild einer feinen Dame, die sich auf ihre Art und Weise ihre Schönheit bis ins hohe Alter bewahrt hat.

 

Unfassbares tat sich nun auf der Bühne, ein 1928 Beaujolais – Fleurie, abgefüllt von Sichel & Fils Freres für die Weinkellerei Geisenheim (88 Punkte) trat in das Rampenlicht der Bühnenscheinwerfer und konnte bestehen. Zwar besitzt er Gaumen nicht allzu viel Charme, aber in der Nase erinnerte er mich an schwarze Campinos, ein Aroma, dass ich einerseits aus Kindertagen gut kenne ;-)) und andererseits eher bei jungen Weinen zu finden ist. Mir fiel es schwer, das Glas wieder auf den Tisch zu stellen – ich wollte lieber „schnüffeln“. 

 

 

Das große Finale kam in Gestalt des 1950 Chateau La Gomerie, St. Emilion (95 Punkte) auf die Bühne und er füllte diese mit seiner Aura komplett aus. Bei einem so herrlich tiefen und formidabel strukturierten Wein, der mit seiner maskulinen Art und den immer noch griffigen Tanninen ungewöhnlich viel „Beißstoff“ bietet, kann man kaum glauben, dass er bereits mehr als 55 Jahre auf dem „Buckel“ hat – er sprüht nur so vor Charme und Energie. Großes Kino, das vor allem von der Tiefe und aromatischen Länge getragen wird. 

 


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